Bild von Birgit Leichsenring, Wissenschaftskommunikatorin und HIV-Expertin

Nachgefragt: Interview mit Birgit Leichsenring zu Australiens Erfolgen in der HIV-Prävention

14. August 2023

Bei der Eröffnung der 12. Konferenz der International Aids Society (IAS) in Brisbane im Juli 2023 wurden die sinkenden HIV-Infektionszahlen in Australien als monumentaler Meilenstein gefeiert - sogar ein mögliches Ende der HIV-Epidemie wurde durch den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, verkündet. Laut der Studie der University of New South Wales wurden in Australien 2022 nur noch 555 neue HIV-Diagnosen bei knapp 26 Mio. Einwohner*innen verzeichnet. 

 

Wir haben mit der Wissenschaftskommunikatorin und HIV-Expertin Birgit Leichsenring über Australiens Erfolge gesprochen: Was hat zu den sinkenden Infektionszahlen geführt und welche Lehren kann Österreich daraus ziehen? 

In Australien gab es im jahr 2022 nur noch 555 HIV-Neudiagnosen auf 26 Millionen Einwohner. Welche maßnahmen haben dazu geführt?

Ich denke grundsätzlich, dass die Werkzeuge, um HIV-Neuinfektionen einzudämmen, die gleichen sind wie bei uns. Es geht darum, Menschen zu diagnostizieren – tendenziell früher zu diagnostizieren – und auch gleich einer Therapie zuzuführen. Das ist etwas, das vor 10-15 Jahren noch gar nicht üblich war. Erst mit der Änderung der global gültigen HIV-Behandlungsleitlinien hat man den standardmäßigen sofortigen Therapiestart umgesetzt. Das ist der eine große Punkt, der zur Folge hat, dass die Neuinfektionen reduziert werden können. Denn unter effektiver Therapie mit einer Viruslast unter der Nachweisgrenze kann HIV sexuell nicht mehr übertragen werden (Anm.: U=U). Das heißt, mit effizientem Testen und Therapieren bewirke ich eine Reduktion der Neuinfektionen, weil die Menschen sexuell nicht mehr infektiös sind.

 

Der zweite große Hebel ist, sämtliche Präventionsmöglichkeiten auszuschöpfen. Wenn wir nun das Kondom als einfaches und günstiges Präventionsmittel einmal bei Seite lassen, steht hier sicher die PrEP an vorderster Stelle. In Australien wurde die PrEP ungefähr zur gleichen Zeit wie bei uns in Europa zugelassen. Das heißt, sie haben auch seit etwa 2017/18 einen Anstieg an Menschen, die sich mit der PrEP schützen. Die beiden Grundpfeiler, die zu diesem Erfolg der reduzierten Neuinfektionen geführt haben, sind also einerseits Menschen mit HIV mit guter Therapie unter der Nachweisgrenze zu halten und andererseits Menschen ohne HIV, die ein substanzielles HIV-Risiko haben, mit der PrEP schützen.

Stichwort PrEP: In Australien ist die PrEP sehr kostengünstig, also etwa für € 15 pro Monat, breit verfügbar. für jene, die es sich nicht leisten können, sogar kostenlos. hat das ebenfalls einen positiven Effekt?

Ja, das hat sicher einen großen Effekt, dass die PrEP so kostengünstig verfügbar ist. Denn wenn man zu den Medikamentenkosten z.B. noch potenzielle zusätzliche Kosten der regelmäßigen Untersuchungen rechnet, kann es eine große finanzielle Belastung sein. Damit ist die Verfügbarkeit der PrEP natürlich eingeschränkt, vor allem in Personengruppen, die ein hohes Risiko haben, vielleicht auch, weil sie schlechte finanzielle Ressourcen haben.

 

Dass die PrEP-Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, wünschen wir uns auch in Österreich. Es gibt eine eigene Studie (Health Technology Assessment) zum (klinischen, ökonomischen und gesellschaftlichen) Nutzen der PrEP, die das Gesundheitsministerium beauftragt hat. Dabei kam heraus, dass der Einsatz der PrEP eine sinnvolle Maßnahme ist. Die PrEP ist laut dieser Studie auch kosteneffektiv für das Gesundheitssystem, trotz der hohen Kosten der Begleituntersuchungen. Wir haben damit eine Maßnahme, die nicht nur für die Menschen individuell eine Verbesserung der Lebensqualität darstellt, weil sie HIV-negativ bleiben können, sondern die auch das System epidemiologisch und finanziell entlastet.

Ein Poster eines Mannes mit der Aufschrift

In Österreich nehmen vor allem MSM die die PrEP – Frauen sind kaum darunter. Wird die PrEP in Australien von einer breiteren Zielgruppe genutzt?

Das ist in Australien sehr ähnlich wie in Österreich. Die MSM-Community in Österreich ist ja zum Großteil gut informiert, versorgt und eingebunden. Wenn wir uns aber ansehen, welche Menschen in Österreich viel zu spät von ihrer HIV-Diagnose erfahren, dann sind das hauptsächlich heterosexuelle Personen im Alter 50+. Männer bekommen ihre Diagnose noch häufiger spät als Frauen. Da reden wir von einer ganz anderen Bevölkerungsgruppe. Die gilt es hier bei uns zu erreichen und da hat Australien genau das gleiche Problem. Da braucht es eben unterschiedliche Zugänge, auch im Bereich PrEP. Es gibt sicher viele Frauen, die gar nicht realisieren, dass sie ein substanzielles HIV-Risiko haben. Das ist in vielen westlichen Industrieländern so, wo die Konzentration im Bereich der HIV-Bekämpfung die letzten 30 Jahre vor allem auf der MSM-Community lag. Ganz anders als in Subsahara-Afrika, wo der Präventions-Fokus auf der heterosexuellen Bevölkerung liegt.

Die heterosexuelle Bevölkerung fällt hier also besonders oft durchs Netz. welche rolle spielen in diesem zusammenhang Hausärztinnen und Hausärzte?

Um die Anzahl der späten Diagnosen zu reduzieren, ist die Allgemeinmedizin ein Keyfaktor. Es geht zum Beispiel darum, bei bestimmten Indikatoren an einen Test zu denken – unabhängig davon, welche Person vor mir sitzt. Es müsste mehr Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass äußerliche Charakteristika bei HIV nicht zählen. Das heißt, es braucht hier mehr Sensibilisierung und Aufklärung von Hausärztinnen und Hausärzten, da ja auch dort diese Zielgruppe – heterosexuell und 50+ - meist in Betreuung ist. Im ländlichen Bereich haben wir hier aber oft zusätzlich ein Problem. Für einen Hausarzt und eine Hausärztin ist es sicher wahnsinnig schwierig, eine Person, von der sie schon Eltern und Großeltern kennt, zu fragen, wie es zum Beispiel mit sexuellen Beziehungen außerhalb der im Dorf bekannten Ehe aussieht. Deshalb kann es hier hilfreich sein, neben diesem Thema des sexuellen Lebens auf klassische medizinischem Parameter wie Indikatorerkrankungen zu achten, bei denen ein HIV-Test veranlasst wird. 

Sowohl die HIV-Tests als auch die PrEP-Strategie sind also essenziell, um die Neuinfektionen einzudämmen. kann damit auch österreich die trendumkehr schaffen?

Auch Österreich kann das Ziel erreichen, Neudiagnosen zu reduzieren - wenn alle mitmachen und alles komplett ausgenutzt wird, was zur Verfügung steht. Das wird momentan nicht getan. Wir müssen es schaffen, bestimmte Bevölkerungsgruppen mehr in Test&Treat-Programme einzubinden oder auch in Präventionsprogramme. Das wird jetzt noch nicht voll ausgeschöpft. Es muss ausreichend HIV-kompetente Ärztinnen und Ärzte geben; ausreichend PrEP-Angebote, die kostengünstig oder kostenlos sind; alle Zielgruppen müssen wissen, wohin sie sich wenden können und alle Angebote müssen diskriminierungsfrei genutzt werden können.

 

Es sollte mehr darauf geachtet werden, die breitere Bevölkerung einzubinden – außerhalb der jetzt als vermeintliche Risikogruppen identifizierten Personen. Viele Menschen haben nach wie vor das Bild im Kopf, dass HIV ein Thema ist, das nur schwule Männer oder Menschen, die Drogen gebrauchen, betrifft. Sie fühlen sich dadurch gar nicht angesprochen. Mit Awareness-Kampagnen kann man da viel machen. Wie weit wir aber tatsächlich diesem Eliminationsziel entgegen kommen, kann ich nicht sagen. Es ist machbar, aber Theorie und Praxis liegen ja oft weit auseinander.

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